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Sachsen-Anhalt

Luther war hier

BEKANNTE UND UNBEKANNTE LUTHER-ORTE IN SACHSEN-ANHALT

Von Annaburg bis Zerbst

luthers orte

Eisleben, Mansfeld und Wittenberg sind unzertrennlich mit dem Leben und Wirken Martin Luthers verbunden. In Eisleben ist Luther geboren und gestorben. In Mansfeld verbrachte er seine Kindheit. In Wittenberg wirkte er fast 38 Jahre als Bibelprofessor, Prediger und Reformator. Was aber haben Naumburg, Merseburg und Zeitz; Dessau, Zerbst und Wörlitz; Stolberg/Harz, Annaburg und Prettin mit Luther zu tun? „Luther war hier“ nimmt das 500. Reformationsjubiläum 2017 zum Anlass, um auf all diejenigen Orte in Sachsen-Anhalt aufmerksam zu machen, an denen sich Martin Luther tatsächlich aufgehalten hat, aufgehalten haben soll und mit denen sich Luther-Legenden verbinden.

Diese Internetseite bietet Ihnen Kurzinformationen, Bilder und Quellenzitate zu allen Luther-Orten in Sachsen-Anhalt. Die Kartenfunktion erleichtert die Orientierung. Über die Chronologie lassen sich die Orte von der Geburt bis zum Tode Luthers nachverfolgen und zu einander in Beziehung setzen. Auf diese Weise entsteht ein verfolgbares Band von Orten und Geschichten, das dazu einlädt, Sachsen-Anhalt als „Ursprungsland der Reformation“ zu entdecken.

„Luther war hier“ ist ein Kooperationsprojekt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt.

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Schleibank, 39261 Zerbst/Anhalt

Kirche St. Nicolai in Zerbst

Zerbst kann für sich beanspruchen, in der Geschichte der Reformation einen herausragenden Platz einzunehmen. Luther selbst verbanden enge persönliche Beziehungen mit der Stadt. Davon zeugt der umfangreiche Briefverkehr, den der Reformator mit dem Bürgermeister und dem Rat der Stadt unterhielt. Mehrfach hat Luther evangelische Prediger für die Kirche St. Nicolai empfohlen. Der Rat der Stadt hat sich dem Reformator gegenüber stets dankbar erwiesen und ihn mit Geschenken bedacht.

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Die Kirche St. Nicolai war die eigentliche Bürgerkirche der Stadt Zerbst. Als größte Kirche Anhalts repräsentierte der spätgotische, um 1430 begonnene und 1534 fertiggestellte Bau das auf wirtschaftlichem Erfolg gründende Selbstbewusstsein der Zerbster.

Früh konnte die Reformation in Zerbst Fuß fassen. Die geografische Nähe zu Wittenberg erwies sich als Vorteil. Zahlreiche Zerbster studierten an der 1502 neu gegründeten Universität „Leucorea“ und trugen so zur Verbreitung der lutherischen Lehre bei. Parallel dazu lässt sich in Zerbst eine Abkehr der Bürgerschaft von den Praktiken der katholischen Kirche beobachten. So verweigerte die Gemeinde von St. Nicolai die Abgabe von Opfergelder an den St. Bartholomäusstift. Auch die Mönchsbettelei auf den Straßen stieß auf Ablehnung, weshalb der Rat der Stadt im Frühjahr 1522 das „Terminieren“, also das Betteln um Almosen, untersagte. Zur gleichen Zeit kam es zu verbalen und tätlichen Übergriffen auf den Klerus. Bezeichnend dafür war ein Vorfall, der sich am Aschermittwoch 1522 ereignete: Der für seine Raufereien stadtbekannte Gastwirt Severin Stendal war Abends vor dem Haus des Kaplans von St. Nicolai, Johann Wiboldt, erschienen und hatte ihn mit geladener Büchse und brennender Lunte dazu aufgefordert, mit ihm das Fastnachtsspiel zu spielen. Wiboldt beschwerte sich darüber beim Rat der Stadt, der die Sache aber als bloßen Fastnachtsstreich eines Betrunkenen abtat.

In dieser Situation rief man Luther nach Zerbst, der hier am 24. Mai 1522 zunächst vor seinen Ordensbrüdern im Augustinerkloster eine Predigt hielt und am 25. Mai noch weitere drei Mal vor den Zerbstern predigte. Wenn Luther anlässlich seines Aufenthaltes in Zerbst vom Rat als Gast der Stadt bewirtet und beschenkt wurde, wie dies ein Eintrag im Handbuch der Stadt von 1522 belegt, könnte das ein Beleg dafür sein, dass die Einladung an Luther vom Rat ausging. Wäre es dann nicht denkbar, dass Luther seine drei Predigten am 25. Mai gar in der Stadtkirche St. Nicolai gehalten hat? Aus Luthers Predigtaufenthalt jedenfalls scheint die Stadt Energie für ihren reformatorischen Aufbruch geschöpft zu haben. Der Rat drängte nun auf die Einsetzung eines evangelischen Pfarrers und was lag da näher, als Luther persönlich um Rat zu fragen?

Im Oktober 1523 übersandte Luther den Magister Johann Groner nach Zerbst, der zunächst als Prediger an der St. Nicolaikirche angenommen wurde. Groner begann mit Billigung des amtierenden Pfarrers, das katholische Brauchtum zu beseitigten. Zu Ostern 1524 reichte er der Gemeinde als sichtbares Zeichen für die durchgeführte Reformation das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Angesichts dieser Neuerung betrachteten die Gemeindemitglieder von St. Nicolai das Inkorporationsverhältnis zum Bartholomäusstift als beendet. Sie baten deshalb die gemeinsam über Zerbst regierenden Landesherren Johann und Wolfgang von Anhalt darum, selbst einen Pfarrer für ihre Kirche bestimmen zu dürfen. Sie beriefen sich dabei auf Luther, nach dessen Lehre die Pfarrerwahl der Gemeinde zustehe. Schließlich überließen die Fürsten der Gemeinde das Wahlrecht. Mit der Berufung von Johann Groner am 1. Oktober 1524 hatte die Kirche St. Nicolai ihren ersten evangelischen Pfarrer erhalten. 

Luther wurde auch danach vom Zerbster Rat in Anspruch genommen. Bereitwillig erfüllte er die Wünsche nach Übersendung von Kandidaten für die Pfarrstelle an St. Nicolai. Dabei vergaß er nicht, die Zerbster daran zu erinnern, den Pfarrern eine angemessene Bezahlung zu geben. Als Dankeschön für seine Dienste erhielt Luther mehrfach ein Fass des damals über die anhaltischen Landesgrenzen hinaus gerühmten Zerbster Bieres. Auch in anderen Dingen waren sein Rat und seine Autorität gefragt. So verfasste er 1525 für die Stadt ein Gutachten über den Umgang mit Klostergütern, die nach der Säkularisierung in städtischen Besitz gekommen waren. Die Gründung der Nicolaischule als städtischer Lateinschule 1526 geht auf dieses Gutachten zurück. 

Die vielfältigen Beziehungen zwischen Luther und Zerbst haben das kirchliche Leben der Stadt geprägt und St. Nicolai nahm darin einen zentralen Platz ein. Die am 16. April 1945 während eines alliierten Luftangriffs schwer beschädigte und von engagierten Zerbstern vor dem Abriss bewahrte Kirche erinnert uns heute als Ruine an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges – sie ist zugleich ein Denkmal der Reformationsgeschichte.

Literatur

Becker, Heinrich: Luthers Beziehungen zu Zerbst, in: Theologische Studien und Kritiken, Jg. 1899, Heft 1, S. 582–609.

Derscheid, Heike Ingrid: Die Stadtkirche St. Nikolai zu Zerbst. Bilder aus der größten Kirche Anhalts, Oschersleben 1994.

Das Bistum Brandenburg (= Germania Sacra, 1. Abteilung: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg, 3. Band, 2. Teil), Berlin 1941.

Öffnungszeiten

Öffnungszeiten:
 
Die Ruine der Kirche St. Nicolai ist Eigentum der Kirchengemeinde. Zur Rettung und Erhaltung des Gotteshauses wurde 1991 der Förderkreis St. Nicolai Zerbst e.V. gegründet. Über ihn und im Rahmen von Stadtführungen sind Besichtigungen der Kirche möglich. Interessierte Besucher können sich beim Förderkreis oder bei der Tourist-Information melden, die sich nur wenige Meter von der Kirche entfernt, am Markt 11, befindet.
 
Kontakt:
 
Förderkreis St. Nicolai Zerbst e.V.
Schloßfreiheit 3
39261 Zerbst/ Anhalt
Telefon: 03923 / 48 72 36 oder 78 80 90
E-Mail: c-jd@gmx.de
Internet: www.sanktnicolai-zerbst.de
 
Tourist-Information Zerbst/Anhalt
Markt 11
39261 Zerbst/Anhalt
Telefon: 03923 / 2351
E-Mail: zentrale@touristinfo-zerbst.de
Internet: www.stadt-zerbst.de/de/tourist-information.html
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